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Geschichten über Bilder, die irgendwann irgendwo s o n s t entstanden sind.

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„Noch immer thront Max Emdens prächtige Villa auf der größeren der beiden Brissago-Inseln praktisch so, wie der Hamburger Kaufhaus-König sie 1940 kurz vor seinem Tod verlassen hat. 70 Jahre ist das jetzt her, seit 60 Jahren ist seine Insel mit dem botanischen Garten öffentlich zugänglich und eine beliebte Touristenattraktion. Nur sehr bruchstückhaft ist bekannt, was geschah, bevor er ins Tessin zog.“

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1927 kaufte Max Emden die Inseln von einer hoch verschuldeten Baronin. Eine rege Bautätigkeit beginnt. „Alles soll stimmen, dafür scheut Emden keinen Aufwand. Das Haus glänzt innen von weißem Marmor, die Salons schmücken kunstvoll verzierte Böden, wie die beim Bau beschäftigten Arbeiter erzählt haben. Das prächtigste ist ihnen entgangen, die meisten waren längst weg, als die Einrichtung herangeschafft wurde, um die Hülle des Palazzo mit all den vielen schönen Dingen zu füllen.“

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„Noch während Starautor Erich Maria Remarque gemeinsam mit Marlene Dietrich Max Emden auf seiner Insel besuchte, kämpfte der inzwischen in die Schweiz eingebürgerte Inselherr jüdischer Herkunft um seinen Besitz in Deutschland. Die Nazis nahmen ihm zuerst den noblen Hamburger Polo-Club, dann wurde sein Grundbesitz „entjudet“, seine Firmen „arisiert“, und Teile seiner privaten Gemälde-Kollektion landeten in Hitlers Raubkunstsammlung.“

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„Potsdam, da besitzt Emden bekanntlich ein Kaufhaus. In dieser Stadt hat leider eine weitere Schlüsselfigur ihr Betätigungsfeld ausgeweitet, ein gewisser Mainka. Es ist einer jener typischen arischen Profiteure. (…) Der ehemalige Handelsvertreter Mainka ist derzeit im „Arisierungsgeschäft“ erfolgreich. (…) Er fängt beim Betreiber des Kaufhauses an, das ist die Firma M. Hirsch, reißt sie sich unter den Nagel. Danach knöpft er sich den Vermieter vor. Max Emden heißt der Besitzer der Gebäude und Grundstücke an der Brandenburger Straße in Potsdam.“ Die Willkür, mit der Max Emden, enteignet wird, die Tatenlosigkeit der Schweizer Behörden, die ihn nicht auf diplomatischem Weg unterstützen, tragen sicherlich zu seiner Erkrankung bei. Erich Maria Remarque schreibt am 24. August 1940 in seinem Tagebuch: „Brief von Carla Vitelleschi. Emden tot. Was hat er nun von all seiner Angst gehabt! Trifft mich; – er wollte so gerne schön leben. Und hatte alles dafür, nur nicht das furchtlose Herz. Man braucht ein starkes Herz, um ohne Wurzel zu leben.“

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Fotos der beiden Grabsteine: Andreas Bauer


Quelle: Francesco Welti (2010): Der Kaufhaus König und die Schöne im Tessin. Max Emden und die Brissago-Inseln. Verlag Huber Frauenfeld. Stuttgart und Wien.

 

 

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