Es gab Jahre meines Lebens, nämlich die vor 1989, aber auch noch die Jahre als die große Arbeitslosenwelle durch einzelne östliche Landstriche rollte, da mied ich bestimmte Regionen des mich umgebenden Landes. Historisches erfreute mich mehr (als das damals Gegenwärtige). Die Altstadt von Görlitz gewann gegen Lauchhammer. Das Bauhaus in Dessau behielt die Oberhand vor Eisenhüttenstadt. In den letzten Jahren bedauerte ich oft, dass ich nicht wenigstens mal einen Blick dahin geworfen habe, wo das Überleben der kleinen DDR im tagtäglichen Kampf gesichert wurde. (Mit Umweltzerstörung und miesen Arbeitsbedingungen bezahlt.) Heute sind vieler dieser Industriestandorte entweder Brachen, Ruinen oder touristische Ausflugsziele. Einige, technologisch außergewöhnliche Betriebe, sind Museen geworden. Manchmal werden diese liebevoll betreut von kleinen Vereinen, deren Mitwirkende ehemalige Mitarbeiter des produzierenden Industriebetriebes waren und aus erster Hand berichten können. Lauchhammer im Süden Brandenburgs ist so ein Ort, den ich erst kennenglernt habe durch Bilder der restaurierten backsteinernen Biotürme und Berichte über das Kunstgussmuseum. Von Braunkohleverarbeitung in Brikettfabriken, Kokerei, Metallverarbeitung und Maschinenverarbeitung künden heute dort noch Museen. Selbst die noch produzierende Kunstgießerei Lauchhammer hat etwas Museales. An einem sonnigen Sonnabendnachmittag wird man nach dem Klingeln ins Kunstgussmuseum eingelassen und kann dann in Ruhe und Einsamkeit die Modelle der Skulpturen betrachten. Historisches ist es auf alle Fälle. Einträchtig stehen sie nebeneinander in den Regalen: die verschiedenen Varianten der Bismarcks, Moltkes, Thälmanns, Piecks oder Lenins. Dazwischen gibt es Antikes wie die Göttin Athene oder den Betenden Knaben. Alles „Ikonen“ vergangener Weltbilder! Wunderschön und zeitlos sind dagegen die Tierplastiken. Auch die Sonderausstellung mit Bronzeplastiken von DDR-Bildhauern strahlt große Würde aus, da der Mensch im Mittelpunkt steht. In der benachbarten Gießerei wurden wir ganz selbstverständlich auch noch durch alle Produktionsräume geführt und konnten sogar einen Blick auf gerade fertig gewordene Denkmäler werfen. (Eines davon wird demnächst auch in Potsdam stehen.)
Modellkopf Wilhelm Pieck.
Statuette Dante Aligheri.
Blick in eines der Regale des Schaudepots mit Modellen.
Anschließend sahen wir uns noch die Biotürme an, eine industrielle Anlage aus den Fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts, in der phenolhaltiges Wasser gereinigt wurde. Einsam stehen sie da auf weitem Land. Das Industriedenkmal wirkt durch das Rot der Backsteine und die Form der Türme wie eine großartige mittelalterliche Burganlage.
Biotürme mit neu angesetzter Aussichtskanzel. (Foto: Andreas Bauer)
Alles andere dieser Industrieanlage wurde abgerissen. Die Brache ist aufgefüllt mit endlos scheinenden Solaranlagen. Sie scheinen leise vor sich hin zu summen. Saubere Energiegewinnung ist das auf alle Fälle. Nur reicht es nicht, die jüngere Bevölkerung von Lauchhammer, die seit Jahren an anderen Orten nach Arbeit und Perspektive sucht, in der Brandenburger Region zu halten.
Umgebung der Biotürme.