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Geschichten über Bilder, die irgendwann irgendwo s o n s t entstanden sind.

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1984

Ich werde seit einiger Zeit angesprochen, ob ich nicht einmal wieder etwas Neues in meinem Blog schreiben kann. Ich nehme einen Jahresrückblick als Anlass. Das Jahr ist fast vergangen. Es ist so viel passiert auf dieser schrecklich-schönen Welt. Optimistisch zu bleiben, fällt nicht leicht. Doch hier ist der Platz für einige persönliche Erinnerungen an Orte irgendwo.

Ich bin nicht gerade der Pippi-Langstrumpf-Typ. Auch andere Figuren, die Astrid Lindgren geschaffen hat, kenne ich nicht besonders gut. Und trotzdem hat sich vor mehr als 15 Jahren eine schwedische, sehr geheimnisvolle Welt für mich geöffnet. Mein bester „Bekannter“ in Schweden war Kurt Wallander, ein (fiktiver) Kriminalbeamter aus Ystad, Schweden. Es gibt auch noch ein paar andere Menschen in Schweden, die ich ganz gut zu kennen glaube, weil mir der schwedische Schriftsteller Henning Mankell eine Menge von ihnen erzählt hat. Seine Schilderungen machten mich neugierig und so reiste ich bereits kurz nach der Jahrtausendwende das erste Mal in meinem Leben nach Schweden. Auf einem Weg, den mir meine, in Rostock aufgewachsene, Mutter, schon so viele Male beschrieben hatte. In Rostock-Überseehafen fährt man mit dem Auto auf die Fähre und nach sechs Stunden friedlicher Ostseeüberfahrt kommt man in Trelleborg, 50 km entfernt von Ystad, an. So einfach ist es. Und auch noch in Ruhe frühstücken kann man, mit Blick auf das Meer.

Bei der ersten Fährüberfahrt hatte ich Mankells Krimis im Gepäck, die die bereits auf Deutsch erschienen waren. Beim Lesen des ersten Buches war mir die Detailgenauigkeit der Beschreibungen von Örtlichkeiten und Landschaften aufgefallen und das machte mich einfach neugierig. Ich wollte Ystad, den Hauptschauplatz der Krimis, sehen und den Hafen, das Meer, die einsame schonische Landschaft, die Menschen, kennenlernen. Ein Freund war ebenso begeistert von der Idee auf den Spuren von Kurt Wallander zu reisen, so dass wir dann insgesamt dreimal gemeinsam zu verschiedenen Jahreszeiten Ystad und die Umgebung fotografisch erkundeten und mit den Bildern ein kleines Foto-Reisebuch machten. Das war ein etwas düsteres und einsames Schweden, das sich in meiner Erinnerung breit machte. Verstärkt wurde es in den letzten Jahren durch all die schwedischen Krimis, die ich las oder durch die zahlreichen Filme. Nordic noir ist inzwischen ein eingeführter Begriff für all dies.

Aber auf diese Art und Weise lernte ich das Land bis in den hohen Norden kennen. Zumindest literarisch und filmisch. Gesellschaftliche Probleme im Krimi ansprechen, das gelingt schwedischen Autoren wohl besonders intensiv. Sie sind starke Botschafter ihres Landes.

Aber neben meiner Leidenschaft für gute Krimis gibt es auch noch eine spezielle Verbundenheit zur Natur. Wer kennt sie nicht, diese Sehnsucht im Herbst, wenn die Tage langsam trübe werden, mit den Zugvögeln in Richtung Süden zu verschwinden. In meiner Brandenburger Heimat (und auch in Mecklenburg) sammeln sich im Oktober Tausende von Kranichen. Nach dieser Rast, u.a. auf abgeernteten Maisäckern fliegen sie weiter nach Frankreich und Spanien. Dort überwintern sie, um sich dann im zeitigen Frühjahr wieder auf den Weg in den Norden zu machen. In den vielen Feuchtgebieten in Schweden, Norwegen und Finnland finden die Kraniche ideale Bedingungen um ganz zurückgezogen ein Nest zu bauen, zu brüten und um auf naturbelassenen Wiesen die Jungen groß zu ziehen. Zwischen Wiederkehr und Brut gibt es jedoch einen Höhepunkt im Leben vieler Kranichpaare. Sie kommen Ende März an den kleinen Hornborgasjön bei Lidköping und tanzen dort. Sie balzen, sie fressen, sie festigen die Beziehungen zu ihrem lebenslangen Partner und für die Jungvögel ist es der Ort der Brautschau. Die Schweden lieben diesen Platz Trandansen, an dem man das Spektakel Tausender Zugvögel beobachten kann. Nicht nur Kraniche trompeten dort, auch Singschwäne, Gänse und Kiebitze rasten dort. Dieses Jahr zu Ostern erfüllten wir uns den Traum, einmal beim Tanz der Kraniche dabei zu sein. Eine gemütliche Ferienwohnung war in der Nähe vom Berg Kinnekulle und dem Vänernsee schnell gefunden, die Fährfahrt gebucht und die Fototechnik gepackt.

Und dann überraschte uns Schweden Ende März mit einem faszinierenden Winter. Der Himmel strahlte blau, viele Gegenden waren noch verschneit und die kleineren Seen komplett zugefroren. Aber die Vögel ließen sich davon nicht abhalten. Am Ufer des Hornborgasjön hielten sich Tausende von Vögeln auf und wir machten wunderbare Spaziergänge am Seeufer, genossen die klare und weite Sicht und schätzten die Einsamkeit der Nationalparks in der Nähe des Vänernsees. Ein bißchen bekam ich auch wieder die Lust auf einen guten schwedischen Krimi, beim Anblick der einsamen Hütten und Ferienhäuser an den Seen. Und so war es eigentlich kein Wunder, dass nach vier Tagen Vogelbeobachtung und Natur unser letzter Abstecher vor der Heimfahrt nach Ystad führte, in die Gassen der Altstadt und auf ein Stück Kuchen und einen Kaffee in die berühmte Fridolfs Konditori, die durch Henning Mankells Kurt Wallender unsterblich bleiben wird.

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Einsame Winterlandschaft in Südschweden. Foto: Christina Hanck

 

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Vogelrastplatz Hornborgasjön in Schweden. Foto: Christina Hanck

 

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Rast der Kraniche am Hornborgasjön. Foto: Andreas Bauer

 

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Tanz der Kraniche am Hornborgasjön. Foto: Andreas Bauer

 

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Altstadt von Ystad in Südschweden. Foto: Christina Hanck

 

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Berühmtestes Café von Ystad. Foto: Christina Hanck

 

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