Ja, das war heute ein inspirierender Artikel im Fontblog. Natürlich war das Statement zum fotografierten Essen nicht allzu Ernst gemeint. (Bukowski nannte es Foodporn.) Aber auch mit einem Augenzwinkern erscheint es lohnend auch dazu mal eine Meinung zu haben und – noch viel besser – das mit einem Bild zu untermauern. Oft fotografiere ich allerdings nicht das mir servierte Essen und das selbst zubereitete schon gar nicht. Aber wenn ich die Linse auf den Teller richte und vor dem Essen noch den Auslöser drücke, steckt auch ein Erlebnis dahinter. Ein belegtes Brot bekommt eben einen enormen Stellenwert nach einer wunderbaren und stundenlangen Wanderung durch die bizarre Bergwelt der Dolomiten. Und das erlebte Glücksgefühl materialisiert sich auf 2220 Meter Höhe am Tisch einer Berghütte in Form einer Speise wie man sie noch nie vorher gegessen zu haben meint. Das gewöhnlichste Rührei mit Speck wird zu einer Delikatesse. Und auch Gemüse, mit Mozarella überbacken, wird zur Verheißung. Jedenfalls maße ich mir an zu schreiben, dass ich immer nur aus ganz besonderem Anlass mein Essen fotografiere und niemals meine Fotos als „Foodporn“ bezeichnen würde.
Vor einigen Wochen erhielt ich eine Anfrage einer luxemburgischen Studentin, die in Bern studiert. Sie schreibt eine Abschlussarbeit zum Thema: Bilder in der Erinnerungskultur (Bilder als Speicher, Bilder als Erinnerung). Ganz speziell ging es ihr dabei um den Mauerfall im November 1989. Nun wurde ich also Zeitzeugin und ließ mich befragen zu meinen persönlichen Erinnerungen. Vor diesem Termin suchte ich noch in meinen alten Tagbüchern nach Verwertbarem. Schließlich wollte ich meinen Rückblick noch einmal erden. (Irgendwann verwischen persönliche Erinnerungen mit den Bildern, die man aus den Medien gewohnt ist und man ist sich nicht sicher ob man das zu Erzählende auch wirklich erlebt hat.) Völlig überraschend war für mich zu sehen, dass ich im August 1989 (letztmalig vor den historischen Ereignissen) in mein Tagebuch geschrieben habe und erst wieder am 1. Januar 1990 darauf zurückkam. Im September und Oktober ´89 war ich viel auf Reisen und gleichzeitig überschlugen sich dann die Ereignisse. Da war die Maueröffnung zwar das wichtigste Ereignis, aber die Demos gegen das politische System und die Staatssicherheit nahmen einen weiteren großen Raum im Alltag ein. Anscheinend gab es keinen Grund für mich, das akribisch im Tagebuch zu notieren.
Während des Interviews legte mir die Studentin einige Bilder „rund um die Mauer“ vor und ich wählte spontan die Bilder aus, die meinem Erinnerungsbild entsprachen. Nach wie vor erscheinen als Stimmungsbilder des Vergangenen graue und dunkle Novemberbilder in meiner Erinnerung. Wobei das nicht meine damalige Einstellung war oder heute rückblickend meine Stimmungslage war, sondern wirklich nur meine innere Visualisierung der kurzen Herbsttage und langen -nächte. Das einstündige Interview verging unheimlich schnell und auch jetzt drängen sich immer noch einige Erinnerungen auf. Aber ich muss auch sagen, dass es keine einheitliche Erzählkette mehr wird, oder noch nicht ist. Wer weiß, was irgendwann einmal das Langzeitgedächtnis dazu zu sagen hat!
Was hatten heute eine „unechte“ Straße mit Gründerzeitfassaden in Babelsberg und eine echte, gemauerte Häuserzeile im selbigen Stadtteil gemeinsam? Sie waren Drehorte. In die sogenannte Berliner Straße der Filmstudios Babelsberg kann man leider keinen Blick hineinwerfen. Alles ist hermetisch abgeschlossen, zugebaut und zugehängt und Tag und Nacht bewacht. Was Matt Damon und George Clooney dort zu sagen und zu zeigen haben, kann ich somit nicht sagen. Hier, in unserer Wohnung, wurde dagegen mit gutem Rotwein gearbeitet. Gefilmt wurde, wie der Korkenzieher angesetzt wird, der Korken gezogen wird. Der Rotwein in Zeitlupe ins Glas schwappt und natürlich wie das Glas angesetzt wird. Hintergrund für diese kurzen Filmsequenzen ist die Produktion eines neuen Dokumentarfilms für die Serie „Der lange Weg“ beim RBB. Und so heben wir das verbliebene Glas Bordeaux und prosten in Gedanken in Richtung Filmstudios und RBB.